"Glaube, Liebe, Hoffnung"


Klar, Schauspielerei ist der schönste Beruf der Welt. Zumindest für mich.
Was gibt es auch Schöneres, als genau das beruflich zu machen, was man liebt.
Wenn man dann noch dafür beklatscht, bewundert und bezahlt wird, dass man sich als „Mann im besten Alter“ im Grunde wie ein Kind beim „Räuber und Gendarm“ spielen benimmt, was kann es besseres geben.
Aber natürlich hat auch diese schimmernde Medaille zwei Seiten.
Zum Schauspielerdasein gehört mehr, als nur die Zeit auf der Bühne und vor der Kamera.
Es gehört mehr dazu, als nur Spaß mit den Kollegen und Standing Ovations.
Und ich meine hier nicht die Gefahr eines Misserfolges, oder das manchmal wirklich nervende Textlernen. Nein, die andere, dunkle Seite der Medaille ist die Zeit zwischen den Engagements. Jeder kennt dieses drohende Nichts, das sich so oft als schwarze Wand hinter dem aktuellen Engagement auftürmt. Oder wenn man im Spätherbst mit einem Angstschweißschub bemerkt das man für das komplette kommende Jahr noch frei ist. Wenn man zwangsläufig: „ Ich gehe pleite!“ denkt und sich ständig fragt, wo der Fehler liegt.  „Warum ruft keiner an?“  – „Bin ich schlecht?“ – „Ich brauche einen Nebenjob.“
Sicher, wenn man wie ich gerade 86 Vorstellungen am Stück gespielt hat, hält man einen Monat ohne Arbeit auch ganz gut aus, aber sobald zwei oder drei Monate ins Land gehen, und vor allem wenn einfach kein nächster Vertrag unterzeichnet ist, da bekommt es doch beinahe jeder von uns mit der Angst zu tun.

Existenzangst und Selbstzweifel, gerade in den ersten Jahren, sind auch ein Teil des Berufes.
Einer, auf den man an der Schauspielschule nicht vorbereitet wird. Wenn ich ehrlich bin, in den Selbstzweifeln wird man an so mancher Schauspielschule wohl eher bestärkt. Aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel. Hier geht es um die Zeit ohne Job und ohne Folgeengagement. Um den Zweifel und die Angst.

Was also tun dagegen?  Wie geht es mir damit?
Nun ich bin nun seit 10 Jahren freiberuflich und im professionellen Rahmen unterwegs.
Und diese 10 Jahre haben zu einigen Veränderungen in meinem Umgang mit der Ungewissheit und Existenzangst geführt. Nach der Schauspielschule, den ersten teilweise recht euphorisch gelebten Engagements und dem Glück einiger Folgeverträge in den ersten zwei Jahren kam, dann irgendwann tatsächlich zum ersten Mal ein großes schwarzes Nichts. Und da es mein erster Kontakt mit dieser Bestie war, habe ich erst gemerkt, dass Sie da ist, als ich mitten drin steckte.
Das Loch in das man dann stürzt, ist tief und blöderweise fehlt das nötige Selbstbewusstsein, um sich schnellmöglich aufzurappeln. Die eigene Kreativität, die mir jetzt manchmal hilft, glücklich und aktiv zu bleiben, wird durch Zweifel gelähmt und man fällt in eine seltsame Starre. Man schafft wirklich nichts mehr. Kann nur abwarten und hoffen, dass irgendwann doch das Telefon klingelt. Damals habe ich mir immer wieder überlegen müssen ob ich den falschen Beruf gewählt habe, eine wirklich tiefe und ehrliche Antwort habe ich mir selber aber gar nicht geben wollen. Ich hatte wirklich Angst. Und konnte ihr nicht entschlossen entgegentreten.
Im Laufe der Jahre ist nun einiges besser geworden, was ich vor allem langen Gesprächen mit einigen älteren Kollegen und Freunden zu verdanken habe.
Ich habe von vielen Kollegen um die – und jenseits der – 60 Jahre zu hören bekommen:
„ Du wirst das schon schaffen, bei Dir bin ich mir sicher.“ Und fast alle appellierten immer wieder an mein Vertrauen in mich und den gerechten Lauf der Dinge.
„Vertraue drauf, es kommt wieder was, meistens wenn Du gerade nicht damit rechnest!“
Und irgendwann habe ich dass tatsächlich so in mich aufgenommen, dass es zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist.
Ich glaube jetzt sehr fest an den gerechten Lauf der Dinge, habe Vertrauen in mich und mein Glück und weiß einfach, dass es immer weitergeht. Klar, damit das funktioniert muss ich finanziell überlebensfähig bleiben, gesund sein und aktiv am Leben teilnehmen. Starr und stumpf zuhause werden nur die wenigsten Jobs zu Dir kommen.
Wenn ich also eine Phase ohne Arbeit habe, schicke ich täglich mindestens eine Bewerbung, aktualisiere Material und werde auch immer mal wieder selber kreativ.
Dank youtube und facebook kann man mit kleinen Filmchen schon mal den ein oder anderen aus der Branche erfreuen und lernt dabei doch auch immer was hinzu.
Und tatsächlich hat es sich in meinem Fall bewahrheitet, es kommt wirklich immer etwas, wenn man gar nicht damit rechnet. So habe ich dieses Jahr über 80% meines Geldes mit Jobs verdient, von denen ich 5 Wochen vorher noch gar nichts wusste.
So stand letzte Weihnachten für 2013 nur ein dreimonatiges Engagement fest, jetzt habe ich beinahe das ganze Jahr durchgehend zu tun. Das nun anstehende Engagement in Dresden habe ich erst vor vier Wochen angeboten bekommen. Das muss natürlich nicht immer so kommen, aber ich vertraue auf eine Kraft, die mich an die richtigen Punkte im (Berufs-) Leben führt.
Ich bleibe aktiv und lerne beständig dazu. Selten habe ich mich so wohl als Schauspieler gefühlt wie in den letzten 24 Monaten. Ich vertraue mir. Das ist wichtig.
Man weiß nie, was kommt, aber warum soll man sich ausmalen, es käme etwas Schlechtes oder gar nichts. Mir gibt es viel mehr Kraft darauf zu vertrauen, dass spannende, neue Aufgaben warten. Ich gehe ihnen entgegen und verkrampfe nicht in Angst.
Das ist auch etwas, was ich allen, die vielleicht noch nicht so viel Vertrauen haben, raten kann:
Geht den Ängsten entgegen. Werdet aktiv und lobt Euch stets für schon erreichte Ziele.
Zweifelt nicht so viel, es geht immer weiter. Seid nicht frustriert. Das ist das schlimmste.
Klopft euch selber auf die Schulter und macht aktiv und lächelnd weiter.
Dann kommt aus dem schwarzen Nichts auf einmal die nächste Chance, das nächste Engagement oder ein netter Werbespot der eure Schulden begleicht.
Und dann könnt ihr die goldene Seite der Medaille wieder einige Zeit voll und ganz genießen.

Liebe Grüße
Oliver